Interview mit Jochen Krause, CEO und CTO Mediform GmbH

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Wie funktioniert Künstliche Intelligenz?

Jochen Krause: Künstliche Intelligenz ist ein faszinierendes und komplexes Thema. Um es zu verstehen, müssen wir zunächst klären, was Intelligenz überhaupt ist. Im Grunde genommen ist Intelligenz ein Mechanismus, der es uns ermöglicht, Probleme zu lösen, insbesondere das Problem des Überlebens. Es ist wichtig zu verstehen, dass Intelligenz nicht nur eine einzelne Fähigkeit ist, sondern viele verschiedene Fähigkeiten umfasst. Man könnte sagen, dass Intelligenz eine Art Werkzeugkiste ist, die mit verschiedenen Fähigkeiten gefüllt ist. Einige der grundlegenden Werkzeuge sind das Aneignen von Wissen aus Informationen, das Abspeichern dieses Wissens und das Lernen aus diesem Wissen.  

Es gibt auch komplexere Werkzeuge in dieser Werkzeugkiste, wie eine Wissensbibliothek, Kreativität, die Fähigkeit zur Planung oder die Fähigkeit, physische Werkzeuge zu bauen.  

Künstliche Intelligenz ist der Ansatz, Maschinen diese Fähigkeiten beizubringen, damit sie Probleme lösen können. Die Methoden, die dabei verwendet werden, orientieren sich stark an der Natur. Ein gutes Beispiel dafür sind neuronale Netze. Dabei wird versucht, die Art und Weise nachzuahmen, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Sie bestehen aus miteinander verbundenen Knoten oder „Neuronen“, die Informationen verarbeiten und weitergeben, ähnlich wie die Neuronen in unserem Gehirn. Durch Training und Anpassung können diese Netze lernen, komplexe Aufgaben zu erfüllen und Probleme zu lösen.

Wie sind Sie persönlich zum Thema KI gekommen? 

Krause: Ich habe mich bereits in der Anfangszeit der „Neuronalen Netze” intensiv mit dem Thema beschäftigt und unter anderem die Preisfindung von derivativen Finanzinstrumenten mit neuronalen Netzen durchgeführt. Die Renaissance von KI in den letzten Jahren, die in der Bildverarbeitung begonnen hat, habe ich intensiv begleitet, immer mit dem Fokus auf Anwendungsfälle in unseren Software-Lösungen. Als die Verarbeitung natürlicher Sprache dann einen Quantensprung gemacht hat, wurde mir klar, dass KI ein Thema mit ähnlicher Reichweite wie Internet oder mobile Apps ist. Was mich wirklich fasziniert, ist die Anwendung von Mechanismen der Evolution bei der Lösung aktueller Probleme. 

Seit wann beschäftigt sich Mediform mit dem Thema KI?

Krause: Unser erster Anwendungsfall für KI war vor mehreren Jahren in der Bildverarbeitung, um Papier-Fragebögen für Blutspender im Verlauf der Spende digital weiterverarbeiten zu können. Hier waren die Fortschritte mit „Deep Learning”, also Modellen, die immer mehr Neuronen enthalten, sehr plastisch mitzuerleben. Heute haben wir eine sehr viel bessere Erkennungsrate als ausgebildete und konzentrierte Menschen. Es ist recht wahrscheinlich, dass KI in weiteren Bereichen ähnliche Erfolge erzielen wird.

 

Welchen Nutzen stiftet Künstliche Intelligenz sowohl für das medizinische Fachpersonal als auch für die Patienten? 

Krause: Künstliche Intelligenz bietet im Gesundheitsbereich vielfältige Potenziale. Sie kann zur Verbesserung der Diagnose und Behandlung beitragen, indem sie beispielsweise Muster in medizinischen Daten erkennt, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind. In der Prävention kann KI helfen, Risikofaktoren frühzeitig zu identifizieren und so Krankheiten vorzubeugen. In der Forschung ermöglicht KI die Analyse großer Datenmengen und kann so zu neuen Erkenntnissen führen.  

Im administrativen und organisatorischen Bereich, in dem wir zu Hause sind, kann KI wesentlich zur Effizienzsteigerung beitragen, indem sie Routineaufgaben übernimmt, das medizinische Fachpersonal entlastet und so mehr Zeit und Raum für die Patientenbetreuung vor Ort schafft. Das gilt insbesondere für die telefonische Kommunikation, die noch von über 80 Prozent der Patienten in Anspruch genommen wird. Dadurch können beispielsweise telefonische Terminbuchungen durch Patienten komplett automatisiert abgearbeitet werden. Für Patienten bedeutet dies eine deutlich bessere Erreichbarkeit über das Telefon und eine direkte Erledigung des Anliegens.

 

Kann KI dem Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich entgegenwirken?

Krause: Ja, Künstliche Intelligenz kann definitiv dazu beitragen, dem Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich entgegenzuwirken, insbesondere im organisatorischen und administrativen Bereich. Es ist sinnvoll, hierbei zwischen behandelnden Ärzten und dem unterstützenden Praxisteam zu differenzieren. Im Bereich des Praxisteams kann KI kurzfristig dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu mildern. Aktuell sind deutschlandweit tausende Stellen in diesem Bereich unbesetzt, und es herrscht eine hohe Fluktuation. Hinzu kommt die Herausforderung stetig steigender Lohnkosten. Durch den Einsatz von KI, die zugrunde liegende Prozesse von Anfang bis Ende automatisiert, kann die Abhängigkeit von Fachkräften verringert werden. Im Bereich der behandelnden Ärzte ist die Situation komplexer, da hier auch politische Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle spielen. Es steht für mich fest, dass das Gesundheitssystem aufgrund der in Rente gehenden Babyboomer − sowohl auf der Seite der Ärzte als auch auf der Seite der Patienten − innerhalb der nächsten Jahre grundlegende Veränderungen erfahren wird. Ich bin überzeugt, dass KI hier wertvolle, unterstützende Beiträge leisten kann und wird.

 

Welche Rolle wird KI in drei bis fünf Jahren in der täglichen Gesundheitsversorgung spielen?

Krause: Vermutlich wird es eine Polarisierung bei der Nutzung von KI in der Gesundheitsversorgung geben: eine Gruppe von Ärzten und Patienten, die KI sehr kritisch gegenübersteht und weiterhin allein auf menschliche und prozedurale Intelligenz setzt, und eine zweite, progressive Gruppe, die KI intensiv einsetzt, um Versorgungs- und Kostenvorteile zu erzielen. Welche Anwendungen von KI den größten Effekt erzielen, lässt sich heute noch nicht vorhersagen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass KI bei einer Vielzahl von Interaktionen im Gesundheitsbereich unterstützend mitwirken wird.